Bericht Rassismusvorfälle 2022

Die Zunahme der erfassten Rassismusfälle

Im Berichtsjahr 2022 verzeichnet das Beratungsnetz für Rassismusopfer 708 Beratungsfälle zu rassistischer Diskriminierung. Im Vergleich zum Vorjahr ist ein Anstieg von 78 Fällen festzustellen. Dieser Anstieg an Beratungsfällen deutet auf eine erhöhte Meldebereitschaft der Betroffenen, Zeug*innen sowie Fachpersonen hin. Er zeigt, dass Rassismus und rassistische Diskriminierung in allen Lebensbereichen auftritt und unterschiedliche Zielgruppen betrifft. Im Jahr 2022 sind vor allem Fälle von anti-Schwarzem Rassismus und Rassismus gegen als «fremd» und/oder «ausländisch» gelesene Menschen verzeichnet worden.
Rassismusvorfälle gegen geflüchtete Menschen, gegen Menschen aus der Balkanregion, dem asiatischen und arabischen Raum, gegen Jenische, Sinti und Sintizze, Roma und Romnja sowie antimuslimischer Rassismus und Antisemitismus kamen jedoch ebenfalls häufig vor und müssen genauso in den gesellschaftlichen Diskursen berücksichtigt werden.

Nicht nur Einzelfall, sondern Strukturen

Die in den Fallbeispielen beschriebenen Rassismusvorfälle gehen über den Einzelfall hinaus. Sie zeigen ideologische Einstellungen und oft unbewusste Haltungen sowie unsichtbare Strukturen, Prozesse und Praktiken, die Menschen auf verschiedenste Weise benachteiligen. Sie äussern sich in expliziten Grenzüberschreitungen und verbalen Übergriffen wie auch in subtilen Herabwürdigungen und Ausschlussmecha- nismen. Wichtig ist dabei zu beachten, dass auch subtile Formen von Rassismus und struktureller Benachteiligung zu Verletzung der Würde, Abwertung und Ausgrenzung führen und damit die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gefährden.

Ergänzung zu anderen Berichten zu rassistischer Diskriminierung

Mit dem vorliegenden Bericht wird die fünfzehnte Auswertung von Beratungsfällen zu rassistischer Diskriminierung in der Schweiz veröffentlicht. Der Bericht ist ein wichtiger Mosaikstein im nationalen Monitoring rassistischer Diskriminierung sowie eine Ergänzung zu Berichten wie der Chronologie «Rassismus in der Schweiz» der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) oder den Berichten zu Antisemitismus des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG) bzw. der Coordination Intercommunautaire Contre l’Antisémitisme et la Diffamation (CICAD) in der Romandie.

Die Spitze des Eisbergs

Der Bericht erhebt keinerlei Anspruch auf eine vollständige Erfassung aller Fälle rassistischer Diskriminierung in der Schweiz. So gibt es sehr viele Beratungsstellen, die nicht auf rassistische Diskriminierung spezialisiert sind und dennoch Fälle bearbeiten, in denen rassistische Diskriminierung eine Rolle spielt, oder Beratungsangebote, die sich auf eine spezifische Art von Rassismus fokussieren, zum Beispiel auf antimuslimischen Rassismus. Die Fälle dieser Beratungsstellen, die nicht Mitglied im Beratungsnetz sind, fliessen nicht in den vorliegenden Bericht ein. Zudem gibt es zahlreiche Gründe, weshalb Betroffene vom Besuch einer Beratungsstelle absehen. Die hier ausgewerteten Fälle stellen die Spitze des Eisbergs dar. Es ist davon auszugehen, dass die Mehrzahl der rassistischen Vorfälle in der Schweiz nirgends gemeldet oder bearbeitet wird.

Hier finden Sie den Bericht zum herunterladen: «Auswertungsbericht 2022: Rassismusvorfälle aus der Beratungsarbeit»

Das Beratungsnetz für Rassismusopfer
Das Beratungsnetz für Rassismusopfer ist seit 2005 ein Joint Venture zwischen der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus EKR und der Menschenrechtsorganisation humanrights.ch. Es umfasst 23 teilnehmende Beratungsstellen. Sie bieten für Betroffene, Angehörige und Fachpersonen Auskunft, psychosoziale Beratung und Rechtsberatung an. Sie leisten mit ihren vielfältigen Interventionen einen zentralen Beitrag zu Begleitung, Beratung und Empowerment von Betroffenen, aber auch zur Dokumentation rassistischer Vorfälle in der Schweiz.